Ein Dokumentarfilm über die lustigsten Figuren Europas
von Petrus van der Let und Elis Veit
Produktion: vanderlet.p@aon.at http://members.aon.at/vanderlet/

Man kann die Beziehung Wiens zur Kultur nur verstehen, wenn man von der Gestalt des Wurschtels ausgeht. Die Wiener Form dieses Harlekins heißt Kasperl, der mit seiner Pritsche auf die Mächtigen einschlägt. Ganz ähnliches gilt für den englischen Punch, den deutschen Kasper, den französischen Guignol, den türkischen Karagöz oder den griechischen Karagiosis. Sie alle werden sich im Juni 2005 im Wiener Prater zu einem Kasperl-Festival treffen. Als Josef II. den Wienern den Prater als Erholungsgebiet schenkte, gab es bald mehrere Bierausschanken, die als besondere Attraktion den Kasperl als Puppentheater darboten: zotig, frech, deftig. Heute ist der Wiener Wurschtelprater, einer der ältesten Vergnügungsparks Europas, mit dem Riesenrad das inoffizielle Wahrzeichen der Stadt und der Praterkasperl die Attraktion für Kinder.

Er ist aber auch durch Mozart in den Figuren Leporello und Papageno zu musikalischen, durch Arthur Schnitzler in seinem Stück "Zum großen Wurstel" zu literarischen Ehren gekommen.

Auch das inoffizielle Wahrzeichen von Wien befindet sich im Wurstel-Prater: das Riesenrad. Sein Gesamtgewicht beträgt 245 Tonnen und mit einem Durchmesser von 61 Metern dreht es sich nunmehr seit über 100 Jahren. Das Riesenrad demonstriert aber auch das Entstehen und Überleben eines multiethnischen Projektes, wie es für Wien so typisch ist. Die treibende Person hinter dem Projekt "Riesenrad" war ein ungarischer Jude aus Temesvar: Gabor Steiner sah 1894 in London in der Olympiahalle die Großausstellung "Venice in London", die der ungarische Schausteller Imre Kirhaly als Erlebniswelt inszenierte. Nach Wien zurückgekehrt, kaufte er vom englischen Grundstücksspekulationsbüro "The Asset Realisation Co." den "Kaisergarten" im Wiener Wurschtelprater. Dann verpflichtete er das Architektenduo Marmorek/Moser, die er auf Studienreise nach Venedig schickte. 2 Jahre später öffnete "Venedig in Wien" seine Pforten und 1897 wurde auch das Riesenrad als zentrale Attraktion der Schau eröffnet. Der Konstrukteur Walter B. Basset, ein britischer Marineleutnant, hatte es in 8 Monaten errichtet.

Die historische hölzerne Wasserrutsche soll neu nachgebaut werden.

1938 mußte Gabor Steiner vor den Nazis in die USA zu seinem Sohn Max fliehen. Dieser hatte u.a. die Filmmusik zu "Vom Winde verweht" und "Casablanca" komponiert und gehörte zu den erfolgreichsten Filmkomponisten seiner Zeit. Das Riesenrad wurde 1938 "arisiert" und der damalige Besitzer Eduard Steiner im Konzentrationslager ermordet.

In der Nazi-Zeit musste auch der Kasperl im Wurschtel-Prater für anti-jüdische Propaganda herhalten.

1946 wurde das ausgebrannte Riesenrad wieder eröffnet und spielte u.a. eine wesentliche Rolle in dem Film "Der dritte Mann" und in einem James Bond Film.

Heute wird der Prater von einem Franzosen neu strukturiert - soll einige Attraktionen des Gabor Steiner wieder erhalten. Auch der Kasperl erhält ein neues Theater und ein überlebensgroßer Wurschtel erinnert an seine Herkunft: einst trug der Prophet Zarathustra im alten Persien ebenso eine Flickenkutte, eine Zipfelmütze und einen dicken Stock wie die damaligen Wanderschauspieler. Doch in der Folge wurden die Religionen zunehmend ernster und verteufelten die Narrenfiguren z. B. im Harlekin.

Dieser gemeinsame Ursprung von Religion und Theater hat sich beim englischen Punch erhalten. Sein Geburtstag wird am 1. Sonntag im Mai gefeiert und nach einer prunkvollen Prozession in die St. Pauls Kirche hält der Pfarrer seine Rede mit Punch zusammen von der Kanzel. Danach wird Punch geehrt und im Garten gibt es viele verschiedene Puppentheater, die sich mit ihren Wanderbühnen im Kreis vor der Kirche aufstellen und abwechselnd den ganzen Tag spielen.

 Alle Rechte vorbehalten: Petrus van der Let Filmproduktion © 2004